Freitag, 25. Januar 2008

Kokoschka kommt zu Wort


1971 verfasst der 85-jährige Kokoschka seine Memoiren: „Mein Leben“. Alma Mahler-Werfel bleibt darin nicht unerwähnt. Beiläufig berichtet er von ihrem ersten Zusammentreffen im Haus ihres Stiefvaters Carl Moll. Sie war neugierig auf ihn, wie er sagt, weil sie schon von ihm gehört hatte (S. 128). Kokoschka konnte seine unglückliche Liebe zu ihr dermassen schlecht verwinden, dass er eine Zeit lang mit einer Puppe an ihrer statt gelebt hat. Ich hätte doch mindestens einen Satz wie 'an diesem Abend traf ich meine große Liebe Alma' erwartet. Statt dessen stehen da verständnisvolle Worte für Almas Situation nach Mahlers Tod. Ein Verständnis, dass zu jener Zeit sicher nicht vorhanden war, sondern nur unbändige Eifersucht. Der Rückblick eines alten Mannes auf seine leidenschaftliche Jugend?


Er schreibt über sein Zögern, sie zu portraitieren: „Erstens hatte ich noch nie ein weibliches Wesen gemalt, das auf den ersten Blick in mich verliebt zu sein schien und andererseits hatte ich eine gewisse Scheu: Wie konnte einer Glück erwarten, da kurz vorher ein anderer gestorben war.“ (S.129) Von seiner eigenen sofort entflammten Leidenschaft und dem ersten Liebesbrief, den er ihr gleich Tags darauf schrieb, steht da nichts. „Eine sehr passionierte Beziehung begann, sie hat drei Jahre lang gehalten.“ (S.129) Das ist mehr als knapp. Und nicht ohne Dünkel. „Da ich erst jetzt die Lebensgeschichte von Alma Mahler durchblättere, sehe ich, dass sie mich bis zum Ende nicht vergessen konnte.“( S.129)


Und er? Wiederrum nur Verständnis statt Schmerz. Auch er konnte zu einer Zeit seines Lebens nicht ohne sie leben, sieht aber ein, dass er damals (viel jünger als sie und noch kein bekannter Künstler) nicht erkannt hat, was für eine Frau ihres Alters und ihrer Herkunft im Leben wichtig war. Er entschuldigt sich quasi dafür, sie eingeengt zu haben (falls sie das so empfunden haben sollte). Er erwähnt aber auch ihre leidenschaftliche Hingabe und schließt daraus, dass es sie demnach nicht allzu sehr gestört haben könnte. Interessanter Weise gibt er an, sie verlassen zu haben, statt von ihr verlassen worden zu sein (S.130). Währen der „Schlächterei“ im Krieg habe er ihre Existenz dann zum Teil auch ganz vergessen. Aber auch danach konnte er nicht von ihr lassen, schreibt ihr Briefe und lädt sie zur Uraufführung von 'Orpheus und Eurydike' nach Frankfurt ein. (S.131) Ähnlich geht es noch bis S. 191 weiter. Alma ist nicht das Hauptthema, wird aber immer wieder erwähnt. Seine damalige wie seine jetzige Position ihr gegenüber lassen sich nicht genau entschlüsseln. Er liebt sie, will diese Liebe aber vergessen. Er fühlt sich ohnmächtig und versucht, Kontrolle zurück zu erlangen. Deshalb vielleicht der Blickwinkel dessen, der verlassen hat und auch die letzte Gelegenheit (1922 bei der Biennale in Venedig) zu einer Aussprache ausschlägt. Das ist meine Interpretation seines Hin- und Herspringens zwischen verständnisvollem, nüchternem Rückblick und anhaltender, tiefer Verletztheit und Unentschlossenheit.



Zwei Schlüsse drängen sich auf. 1) In dieser Liebe sind zwei überaus starke und extravagante Persönlichkeiten auf einander getroffen. 2) Das Malen und Schreiben scheinen bis zu einem gewissen Grade wirklich dazu beigetragen zu haben, dass Drama der unglücklichen Liebesbeziehung aufzulösen. Bleibt die Frage nach der Puppe. Was hat das Zusammenleben mit ihr für Kokoschka bewirkt?




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