Dienstag, 6. November 2007

Geliebte Puppe

Oskar Kokoschka und seine Geliebte/Puppe – Was für eine Geschichte...



Im April 1912 erhält Oskar Kokoschka den Auftrag, ein Portrait von Alma Mahler anzufertigen. Er lernt sie bei einem Abendessen kennen und verliebt sich sofort in sie. Schön und verführerisch erscheint sie ihm hinter ihrem schwarzen Trauerschleier - ihr erster Mann, der Komponist Gustav Mahler, war vor einem Jahr gestorben. Bereits am folgenden Tag erhält sie den ersten Liebesbrief von Kokoschka, dem noch 400 weitere folgen sollten.


Die beiden leben und reisen zusammen, und wenn sie nicht miteinander schlafen, malt er sie. Er liebt sie „wie ein Heide, der zu seinem Stern betet“1, leidenschaftlich und bedingungslos, aber auch fordernd und besitzergreifen. Bereits im Juli ist sie von ihm schwanger, lässt das Kind jedoch abtreiben. Er besucht sie im Sanatorium und behält ein Stück der Watte, mit der ihre Blutung gestoppt wurde – als Erinnerung an sein ungeborenes Kind wird er das vertroknete Stück blutiger Watte sein Leben lang bei sich tragen. Kokoschka bleibt kinderlos.


Mit allem Mitteln will er Alma zur Heirat überreden, diese entfernt sich jedoch mehr und mehr von ihm. „Die drei Jahre mit ihm waren ein Liebeskampf. Niemals zuvor habe ich so viel Hölle, so viel Paradies gekostet.“ 2 Auf die Dauer kann die Beziehung nicht funtionieren, Alma trennt sich von ihm. Kokoschka meldet sich – freiwillig – zum Kriegsdienst. Almas Tochter Anna sagt später dazu: „Die Alma hat den Kokoschka so lange einen Feigling genannt, bis er sich schließlich ‚freiwillig‘ zum Kriegsdienst gemeldet hat. Er wollte nicht in den Krieg, sie aber hatte schon genug von ihm, er war ihr zu anstrengend geworden.“ 3 Er wird verwundet und erhält keinen Besuch von ihr an seinem Krankenbett.


Als Ersatz für die verlorene Geliebte lässt Kokoschka im Juli 1918 bei einer Münchner Puppenmacherin ein lebensgrosses Modell von Alma fertigen. Als es im Februar des Folgejahres geliefert wird, ist die Enttäuschung gross. Der Puppen-Fetisch kann Kokoschkas erotische Bedürfnisse nicht erfüllen und wird zum Modell umfunktioniert. In zahlreichen Bildern versucht er, ihr ein wenig Leben einzuhauchen. Ein Besucher erinnert sich: »In Kokoschkas Wohnraum, auf dem Sofa, hinter dem runden Tisch, saß lebensgroß, schimmernd weiss, gekrönt von kastanienbraunem Haar, einen blauen Mantel um die Schulter, die Puppe, der Fetisch, die künstliche Frau, die ideale Geliebte, das ideale Modell4 Das Hausmädchen Hulda erhält den Auftrag, der Puppe als Kammerzofe zu diensten zu sein.


Das Zeichnen und Malen wird schließlich zum Akt der Befreiung, zum Erfassen, zum Ver- und Erarbeiten des Verlustes. Kokoschka selber sagt: „Endlich, nachdem ich sie hundertmal gezeichnet und gemalt hatte, habe ich mich entschlossen, sie zu vernichten. Die Puppe hatte mir die Leidenschaft gänzlich ausgetrieben. Ich machte also ein großes Champagner-Fest mit Kammermusik, während dessen mein Kammermädchen Hulda die Puppe mit all ihren schönen Kleidern zum letzten Mal vorführte. Als der Morgen graute - ich war wie alle anderen sehr betrunken - habe ich im Garten der Puppe den Kopf abgehackt und eine Flasche Rotwein darüber zerschlagen. Am nächsten Tag schauten ein paar Polizisten zufällig durch das Gartentor, erblickten wie sie meinten den blut überströmten Körper einer nackten Frau, und stürzten in der Verdächtigung eines Liebesmordes ins Haus hinein. Genau genommen war es das auch, denn an jenem Abend hab ich die Alma ermordet... 5


Ob er sie an jenem Abend tatsächlich 'ermordet' hat, wird offen bleiben, denn noch an Almas 70. Geburtstag nennt er sie „mein wildes Geschöpf“ und seine „unsterbliche Geliebte“. Er war überzeugt: „In meiner Windsbraut sind wir auf ewig vereint.“ 6


Eine obsessive Liebe, die bis in die Ewigkeit dauern soll - diese Vorstellung erweckt Schrecken und Faszination zugleich. Welcher Frage ich in meiner Hausarbeit nachgehen möchte, weiss ich noch nicht genau. Eines aber ist jetzt schon klar: es wird in ihr um Oskar Kokoschka und seine Alma-Puppe gehen.




123http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/almas_life2.html

45http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/puppet.html

1 Kommentar:

Julia hat gesagt…

eine ganz zauberhafte, und doch kranke geschichte. *seufz* ich bin auch ein rührseeliger mensch...