Dienstag, 25. Dezember 2007

Die Alma-Puppe und das Koordinatensystem


...wo ist die Alma-Puppe einzuordnen in der Puppenmatrix? Sie wurde nach Kokoschkas Maßen und nach Kokoschkas Vorstellungen gemacht, um ihn über den Verlust seiner Geliebten hinweg zu trösten. Man könnte denken, er hätte sie ganz für sich allein haben wollen oder nur privilegierten Menschen gezeigt, dem war aber nicht so. Die Puppe hatte eine eigene Zofe und eine ausgesuchte Garderobe, das Hausmädchen Reserl war angehalten, mit ihr Kutschfahrten unternehmen und sie sollte sogar mit in die Oper und auf Bankette - eine im höchsten Masse öffentliche Puppe also.

Wie belebt kann sie gewesen sein? Kokoschka wartete fieberhaft auf die Fertigstellung der Puppe, sehr neugierig war er auf die Wattierung. Auf seiner Zeichnung hatte er die ihm wichtigen Flächen, entstehenden Gruben und Falten schematisch angedeutet. Sie enttäuschte ihn schließlich und wurde zum Modell umfunktioniert, um den Makel ihrer Unbelebtheit malerisch umwandeln zu können. Zahlreiche Bilder Zeugen von diesem Versuch.


Eine besonders autonome Puppe, die die Illusion eines Eingenlebens erweckt, kann sie also nicht gewesen sein. Vielleicht war die fehlende Autonomie der Puppe aber genau so verletzend wie die autonom getroffene Entscheidung der echten Alma, Kokoschka zu verlassen?


Spannend ist die Frage nach heilig oder profan. Durchaus für profane Zwecke geschaffen - schließlich sollte sie die Illusion aufrecht erhalten, Alma wäre noch da und würde ein alltägliches Leben an Kokoschkas Seite führen, bin ich fast sicher, dass sie für ihn selber eine Art Heiligenstatus hatte. Auf jeden Fall sollte sie eine Frau wieder aufleben lassen oder tatsächlich sein, die Kokoschka innig geliebt und angebetet hatte.

Dann, nicht ganz so spannend: war sie statisch oder beweglich? Ausreichend beweglich sicherlich, wie die Bilder zeigen, aber eben nicht belebt. Eine überzeugende Puppe, wenn man die Mittel der Zeit bedenkt und eigentlich sehr hübsch. Ihr einziger Makel muss gewesen sein, dass sie eben nicht Alma Mahler war, sondern nur - eine Alma-Puppe...



Dienstag, 11. Dezember 2007

Die Puppen in Angel Heart

...sind zahlreicher, als es auf den ersten Blick schein. Sie sind auf Fenstern, an der Wand, auf Altären, sie sind aus Glas, aus Wachs, auf Bildern, aus Porzelan und aus Tierkadavern gemacht. Sie durchziehen den Film so gleichmässig wie die immer wiederkehrende Einstellung eines sich drehenden Ventilators. Sie sind da und sie haben eines gemeinsam: ihre Verwendung ist durchweg sakral. Die Voodoo-Puppen sieht man nur im Verborgenen, ihnen haftet etwas Beängstigendes an. Die Engel und Heiligen sieht man öffentlich in Kirchen, so wie wir das kennen. Warum versetzt uns der ans Kreuz geschlagene Jesus nicht in Angst, die Voodoopuppen aber schon? Diese von Epiphany aufgeworfenen Frage ist durchaus berechtigt. Inwiefern basiert auch der christliche Glaube, der sich so vehemment vom Aberglauben abzugrenzen sucht, auf einem Blutopfer? Um es mit dem Zitat zu halten: "Dies ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird...", die Antwort wäre: ganz und gar!

Keine der bis jetzt besprochenen Puppen bewegt sich, sie sind also statisch und werden stumme Zeugen des menschlichen Tuns, ihre Funktion ist rein symbolisch. Nun gibt es aber auch noch eine bewegliche Puppe, oder gibt es sogar zwar zwei? Die erste: der unselige Privatdedektiv, an einem Neujahrsabend während dem 2. Weltkrieg zur falschen Zeit am falschen Ort, wird er zur lebenden Hülle eines Anderen. Dieser ergreift nicht etwa von seinem Geist besitz, wie wir Besessenheit zu definieren gewohnt sind, nein - er isst sein Herz und eignet sich so seine Seele, seinen Körper und auch seine Erinnerung an. Diese lebende Puppe dient keinem sakralem Zweck, sondern einzig der Weiterführung des weltlichen Lebens des Künstlers Johnny Favorite. Ein Mensch versteckt sich so gekonnt in einem anderen, dass dieser nichts von der Besitzergreifung merkt... Das Herz als lebender Signifikant für die Seele und wenn ich ein menschliches Herz esse, verleibe ich mir die Seele des Herzensträgers ein... Appetitlich ist das nicht, und auch die Ebene des Vollzugs ist ganz und gar nicht subtil. Da wünscht man sich zurück in den katholischen Gottesdienst wo Blut zu Wein und erst dieser dann getrunken wird. Das beantwortet auch die Frage nach der eventuellen Gleichheit der Kulte: auch wenn das Christentum ohne den Glauben an das wahre Blutopfer zu Urzeiten grundlagenlos wäre, so wird es doch heute nur noch symbolisch vollzogen.

Gibt es noch eine lebende Puppe im Film? Was ist mit Epiphany, der Mambopriesterin, die im Ritual ganz offensichtlich auch von dem einen oder anderen ergriffen wird - ist sie mit einer lebenden Puppe im Sinne Angels vergleichbar? Dagegen spricht, dass sie sich ihrer Zustände immer bewusst ist, sie kann unterscheiden zwischen Ergriffenheit und Alltag. Sie vollzieht ihre kultische Trance und kehrt danach in ihr Leben zurück, ihr wohnt der Teufel (oder andere Geister) bei und sie kann zwischen diesem sexuellen Erlebnis und anderen differenzieren. Das unterscheidet sie elementar von Harry Angel, der eben nicht weiss, wer er ist oder was er tut, wenn er vom Teufel ergiffen ist. Er erinnert sich als Hülle nicht an das, was er als Ganzer tut, während Epiphany zu jeder Zeit eins mit sich selber ist. Es ist der Unterschied zwischen zum Gefäss werden und zum Gefäss gemacht werden, der in diesem Fall auch der Unterschied zwischen lebender Puppe und lebendigem Menschen ist.